Resourcen

Die Schätze der Westsahara

Phosphor, Fisch und Erdöl kommen nicht den Sahrauis zugute, sondern dem marokkanischen Staat

von Olivier Quarante
(Le Monde diplomatique Nr. 10360 vom 14.3.2014, Seite 14-15)

Auf der Schnellstraße zwischen El Aaiún, der Hauptstadt im Norden der Westsahara, und Dakhla, mehr als 500 Kilometer weiter südlich, reiht sich ein Lastwagen an den nächsten. Sie transportieren Oktopus und Weißfisch. Die Küste der Westsahara ist 2 200 Kilometer lang, ihre Gewässer zählen zu den fischreichsten der Erde. Laut einem Bericht des Cese (des Marokkanischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrats) vom Oktober 2013 arbeiten im Fischereisektor der “südlichen Gebiete” – so die offizielle marokkanische Bezeichnung für die Westsahara – 74 000 Menschen. Hinzu kommt eine Vielzahl informell Beschäftigter.

Der Fischereisektor erwirtschaftet 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Westsahara, in ihm arbeiten 31 Prozent der Beschäftigten dieses Gebiets, 78 Prozent des gesamten marokkanischen Fischfangs kommt aus den Gewässern der Westsahara. Den enormen Reichtum aus diesem Sektor beansprucht seit 1975 Marokko. Damals annektierte das alawitische Königreich die Westsahara, obwohl der Entkolonialisierungsausschuss der Vereinten Nationen das Gebiet bereits 1963 auf die Liste der “Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung” gesetzt hatte, die einer Selbstbestimmung zugeführt werden sollten.

Über die Küstenstraße fahren auch Lastwagen, die andere Erzeugnisse aus der Region um Dakhla transportieren: Tomaten, Gurken und Melonen. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation West Sahara Resource Watch sind in der Umgebung von Dakhla elf landwirtschaftliche Produktionsstätten angesiedelt. Darunter auch die Gewächshäuser der Firma Tawarta, die sich über hunderte Meter die Straße entlangziehen. Die auf der 600-Hektar-Anlage angebauten Cherrytomaten werden mit dem irreführenden Etikett “Herkunftsland Marokko” versehen und über das 1 200 Kilometer weiter nördlich gelegene Agadir nach Europa verschifft, wo sie unter dem Namen “Stern des Südens”, einer Marke des französischen Unternehmens Idyl, auf den Markt kommen. (…)

Schreibe einen Kommentar