Nahe der algerischen Stadt Tindouf befinden sich die saharauischen Flüchtlingslager. Die Lager, fünf an der Zahl, liegen in der algerischen Hammada auf einem weitläufigen Gebiet verteilt. Hier leben nach Angaben Algeriens 165.000 saharauische Flüchtlinge. In den 70er und 80er Jahren entstanden El Aaiun, Smara, Auserd und Dajla – benannt nach den größten Städten der Westsahara. Seit einigen Jahren wird die Siedlung um die nationale Frauenschule namens „27. Februar“ offiziell als fünftes Lager betrachtet. Benannt nach dem Gründungsdatum der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (im Jahr 1976) entwickelte sich die Umgebung der Schule zu einem attraktiven Siedlungsort, da er an das algerische Stromnetz angeschlossen ist. Außerdem ist „27. Februar“ gut angebunden sowohl an Tindouf, als auch an Rabouni, das administrative Zentrum der Flüchtlingslager. Der Ausbau eines asphaltierten Straßennetzes hat die Alltagsmobilität in den Flüchtlingslagern erheblich gesteigert. Private Sammeltaxis verkehren zum festen Tarif innerhalb und zwischen den einzelnen Lagern und Tindouf.
In Rabouni befinden sich die Regierungsorgane der DARS, die Büros und Unterkünfte der meisten internationalen Organisationen sowie ausländischer und saharauischer Nichregierungsorganisationen. Hier werden auch die Hilfslieferungen gelagert, vor ihrer Verteilung durch den saharauischen roten Halbmond. Die saharauischen Flüchtlingslager setzten sich von anderen durch UNHCR verwaltete Lager dadurch ab, dass sie durch die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) – folglich von den Flüchtlingen – selbstverwaltet werden. Dabei erkennt Algerien die Souveränität der DARS in die Flüchtlingslager an.
Von Anfang an, bemühte sich die saharauische Exilregierung ein eigenes Bildungs- und Gesundheitssystem in den Lagern zu etablieren. Außerdem verfügt sie über ein eigenes Sicherheits- und Verteidigungsapparat. In den Lagern finden sich Dispensarien, Krankenhäuser, Polizeistationen, Gerichte, Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen, sowie weitere Bildungseinrichtungen.
Die Verwaltung agiert auf drei Ebenen: national, regional und lokal. Die Lager werden jeweils als Provinz bezeichent (wilaya). Sie glieder sich jeweils in sechs oder sieben sogenannten Gemeinden (daira). Diese wiederum umfassen jeweils vier Nahcbarschaften (hay, bzw barrio auf Spanisch). Auf lokaler Ebene sind die Frauen für die Verwaltung zuständig. Die Verteilung von Lebensmitteln und anderen Gütern, die als Teil der Internationalen Hilfe an die Flüchtlinge geliefert werden, werden in jeder Nachbarschaft von gewählten und erfahrenen Frauen koordiniert, die eminat. Zugleich sind die Frauen, die jeweils einem Haushalt vorstehen, in Gruppen von elf Personen organisiert. Die Verbreitung von Informationen, kollektive Tätigkeiten, wie etwa die Reinigung von öffentlichen Plätzen innerhalb einer daira oder die Vorbereitung von Festen erfolgt über diese Verwaltungseinheiten.
Neben der Frauenschule 27. Februar befindet sich die Zentrale der Frauenunion. Dabei handelt es sich um eines der Massenorganisation, neben der der Arbeiter- und der Jugend. Seit zwei Jahren existiert zudem eine selbständige Union der Studierenden. Diese Organisationen haben neben ihrer ausführenden Funktion auch ein politisches Gewicht und erhalten zum Beispiel automatisch Sitze im saharauischen Nationalkongress, dem Parlament der Flüchtlingsgesellschaft, das im Prozess der Demokratisierung in den Lagern eine wachsende Rolle spielt.
Nicht nur 27. Februar erlebte eine intensiven Zuzug von Haushalten. Seit dem in den vergangenen zehn Jahren sowohl Smara als auch El Aaiun über eine Asphaltstraße verbunden sind, verließen viele die Lager Ausserd und Dajla. Obwohl Dajla inzwischen ebenfalls über eine ausgebaute Straße zu erreichen ist, bleibt sie durch die Entfernung zu Tindouf und Rabouni weiterhin abgelegen.
Abgesehen vom 27. Februar, sind die Haushalte und die Einrichtungen auf Solarplatten oder Dieselgeneratoren angewiesen, um Strom zu erzeugen. Während die Haushalte Butangasflaschen als Teil der Hilfslieferung erhalten, was zum Kochen verwendet wird, müssen die Kosten für Solarplatten, Autobatterien und Leuchtkörper, von den Haushalten getragen werden. Das gleiche gilt für die Lehmgebäuden, die inzwischen das Bild der Lager dominieren. Weiterhin erhält jede Frau nach ihrer ersten Ehe und damit einhergehenden Gründung eines eigenen Haushaltes die Bestandteile eines Zeltes. Die Zelte, werden als haima bezeichnet. Die meisten Familien verfügen inzwischen neben ihrer haima über eine oder mehrere Lehmräume. Immer häufiger werden nun in sich geschlossen Häuser gebaut. Dabei läuft ein Flur mit Türen an beiden Enden durch die Mitte des Gebäudes, während die einzelnen Räume davon abgehen. Diese Häuser werden als kejkota bezeichnet, wobei der Name auf das französische Wort für Schnellkochtopf zurückgeht, eben weil sie in sich geschlossen sind, im Gegensatz zu der haima, die eine Öffnung in alle vier Himmelsrichtungen hat.
Neben Zelt und Gas, erhalten die Haushalte monatliche Nahrungsrationen. Während seit Jahren sinkende Rationen beklagt werden und es durch die Finanzkrise zu zusätzlichen Ausfällen gekommen ist, stehen die Hilfsorganisationen schon lange vor dem Problem, dass sie Notrationen bemessen, die eine adäquate Versorgung über 37 Jahren nicht gewährleisten können